Anfang Juli, am heißesten Wochenende des Sommers, habe ich die Gedenkstätte des Frauen-KZ Ravensbrück im brandenburgischen Fürstenberg besucht. Die Jugendherberge, in der wir nächtigten, befand sich direkt vor dem Lager in hübschen weißen Häusern mit dunklen Fensterläden, in denen damals die Aufseherinnen wohnten (und eine schöne Zeit verlebten, wie auf ausgestellten Ansichtskarten an die Lieben daheim zu lesen ist). Die Verköstigung dort war von ostdeutscher Schlichtheit: Wegen der Hitze gab es Kaltschale, herrlich gelb und mit künstlichen Fruchtstückchen. Das kannte sonst niemand in der Hamburger Reisegruppe; die Brandenburger Köchin und ich schüttelten gemeinsam die Köpfe.
Überhaupt war es sonderbar, dass sich zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus so viel DDR gesellte. In der Ramschecke des Bücherladens fand sich ein Gedenkbuch aus DDR-Zeiten, Geboren am See der Tränen von Christa Wagner, in dem besonders die Schicksale eingekerkerter Kommunistinnen beschrieben werden, solidarisch und aufrecht bis zur letzten Stund. Ich hege große Bewunderung für diese Kämpferinnen, auch finde ich, in unseren nüchternen Zeiten, das Pathos dieses Buches nicht verkehrt. Nur stört die starke Abgrenzung gegenüber Frauen, die als Kriminelle und Asoziale inhaftiert waren; worunter auch Lesben und alle möglichen fielen, die mit der Frauenrolle und den NS-Gesetzen nicht gut leben konnten.
Dieses Buch lese ich jetzt, eisern bis zur letzten Zeile – als moralischen Abschlag, dass es mir besser ergeht als dem Großteil der Frauen in Vergangenheit und Gegenwart. Protestantische Selbstzerfleischung, die im Grunde niemandem nützt, ist eben eines der schönsten Erbstücke, die man als Kommunistin mit sich herumträgt.