Erklärung zur Buchmesse 2023

Meine Lesung auf der Leipziger Buchmesse wird nicht stattfinden – weil ich dafür ein Honorar haben wollte. Es ist üblich, dass Autor*innen, die auf der Buchmesse lesen, völlig leer ausgehen. Das gilt auch und gerade für große Veranstalter wie Buchhandlungen, die zu bundesweiten Ketten gehören, Hochschulen, öffentlich-rechtliche Sender. Es gilt aber auch für Veranstalter, die sich die Förderung kritischer und unabhängiger Literatur auf die Fahnen schreiben. Autor*innen lesen unentgeltlich (und tragen, wenn sie nicht in Leipzig leben, auch ihre Fahrtkosten selbst). Während die Infrastruktur der Buchmesse – Standmiete, Werbung, teils auch die Organisation und Moderation von Lesungen – über ganz normale Dienstleistungsverhältnisse läuft, werden die Urheber*innen der Bücher, um die sich alles dreht, mit einer Handvoll Applaus und drei verkauften Exemplaren abgespeist.

Löbliche Ausnahmen bilden viele kleinere Veranstalter und Leseorte, die für Buchmesse-Lesungen ihre normalen Honorare zahlen. In anderen Fällen springen die Verlage ein und zahlen Fahrtkosten, Unterkunft und vielleicht ein Honorar. Autor*innen, die wie ich bei kleinen und Nischenverlagen sind, gehen oft leer aus, denn diese Verlage haben damit zu tun, die hohe Standmiete für die Messe aufzubringen. Der bisherige Usus geht also für einen großen Teil der Autor*innen, die auf der Buchmesse lesen, nicht auf.

Der Verband deutscher Schriftsteller*innen empfiehlt mindestens 500 € Lesehonorar. Das ist angemessen: In jedem Buch stecken mehrere Jahre (oft unentlohnte) Arbeit. Die meisten Autor*innen müssen nebenbei anderen Jobs nachgehen, um eine finanzielle Grundlage zu haben, die es ihnen erlaubt, einen Teil ihrer Arbeitskraft dem Schreiben zu widmen. Für Autor*innen mit Kindern bedeutet das einen ökonomischen Spagat, der es besonders Frauen erschwert, überhaupt zu schreiben bzw. zu publizieren.

Die Stadt Leipzig, die Buchmesse und die zahlreichen Veranstalter schmücken sich mit dem alljährlich reichen und vielfältigen Angebot an Lesungen. Auch das Gastgewerbe, der Nahverkehr und die Medien profitieren davon. Wir Autor*innen sollten das auch!

Wenige Berufsgruppen arbeiten so vereinzelt wie Autor*innen, ob im Belletristik- oder Sachbuchbereich. Ich plädiere dafür, dass wir uns eine Scheibe bei den Erzieher*innen, Pflegekräften und Lokomotivführer*innen abschneiden und das nicht länger mit uns machen lassen.

Für ordentliche Lesehonorare auf der Buchmesse 2023, 2024 und darüber hinaus!

 

Presse/Referenzen:

Leipziger Volkszeitung (26.4.23)

MDR aktuell (28.4.23)

sexy & bodenständig. Ein Entlastungspodcast für Autor*innen (21.4.23)